bosnische Fragmente aus vielen Jahren

“Hände für den Frieden”
ein Rückblick auf 5 Jahre des bosnischen Friedensweges
Oktober 2001

Wie so oft. Ich bin auf dem Weg. Seit Monaten war ich mal wieder in Attendorn, in der Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin. Seit 1979, dem Abiturjahr, bin ich nur noch sporadisch in dieser Stadt gewesen. Ich verlassene Attendorn über die Heldener Straße. Mein Blick fällt auf die Stadt, die - umgeben von bewaldeten Hügeln - so vielen Menschen Heimat gibt. Erinnerungen bewegen mich. Ich sehe den Sauerländer Dom, das Rivius-Gymnasium...

Über Mobilfunk erreicht mich ein Anruf. “Wir haben gehört, dass du seit Jahren in der Jugendarbeit in Sarajevo engagiert bist. Kannst du da nicht mal was für die VEGA-Zeitung schreiben?” Gern willige ich ein. “Und schreib auch ein wenig von der Geschichte, wie das alles begann!”

So wandern meine Gedanken zu einer anderen Stadt, die mich wie keine zweite in meinem Leben bewegt und geprägt hat. Es ist Sarajevo, die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas. Wie Attendorn liegt sie - umgeben von Bergen - eingebettet in eine wunderschöne Landschaft. Ein Kleinod des Balkan. Und wie Attendorn in den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkriegs völlig zerstört wurde, so hat Sarajevo dieses Schicksal im vorletzten Krieg auf dem Balkan von 1992-95 durchleiden müssen. Die Berge - in ihrer majestätischen Größe oft Zeichen der bleibenden Nähe Gottes zum Menschen - wurden für Sarajevo zum Unheils-Ort. Von hier oben wurde die Stadt von serbischen Tschetniks zerstört...

Mir steht ein Bild vor Augen. Es war November 1994. 22.30 Uhr. Tagesthemen. Sarajevo. Bilder eines Granatangriffs auf die Stadt werden gezeigt. Der Kameramann hat einen kleinen Jungen im Blick, der vor einer weißgetünchten Hauswand spielt. Allein. Plötzlich fliegen die Granaten. Ohrenbetäubender Lärm. Schreie zerreißen die Stille. Der Kleine hält sich mit beiden Händen die Ohren zu. Total verängstigt beginnt er zu weinen. Wie versteinert steht er da. Die Kamera hat weiter sein Gesicht im Visier. Dieses Bild dringt in mich ein und läßt mich nicht mehr los. Es erzählt von Angst, Ohnmacht, Einsamkeit, verlorener Kindheit... Dem Jungen ist äußerlich nichts passiert und doch ist er in seiner Seele zerfetzt. Ich sitze vor dem Fernseher. Tränen kommen mir. Wie kann das am Ende des zweiten Jahrtausends in Europa noch möglich sein? In dieser Nacht schlafe ich kaum...

Über ein Jahr sind vergangen. Das eben gezeichnete Bild und ähnliche haben mich immer und immer wieder bewegt. 16.12.1995. In Paris wird das Abkommen von Dayton unterschrieben. Noch leben über 300 000 der bosnischen Flüchtlinge in unserem Land. Über die Hälfte der 4,2 Millionen Bosnier haben im Laufe des Krieges ihre Heimat verloren, mußten fliehen. Nun sollen sie zurück. Aber wohin? Das Land ist total zerstört.

Am Weihnachtsfest 95 fragt Bischof Lehmann im Mainzer Dom, ob nicht der Wiederaufbau in Bosnien Herzegowina auch eine Herausforderung für Deutsche Jugendarbeit sein könne? In seinem Haushalt leben bosnische Schwestern. Über sie hat er die Not der bosnischen Bevölkerung in den Jahren des Krieges hautnah miterlebt. Ich lese diese Frage in der Weihnachtsausgabe der Tagezeitung. Seit über 3 Jahren trage ich zu diesem Zeitpunkt die Verantwortung für das Jugendhaus Hardehausen. Jahr für Jahr kommen 16 000 junge Leute in unser Haus auf der Suche nach Orientierung. Unter dem Leitbild “Wir setzen den Rahmen und schaffen Raum” laden wir sie ein, Natur zu erleben, Menschen zu begegnen und Gott zu erfahren. Würden sich wohl Jugendliche begeistern lassen, in das noch stark verminte Bosnien zu fahren, um dort beim Wiederaufbau zu helfen? Würden sie ihre Ferien und ihren Urlaub investieren?

Neben diesen Fragen kommt mir ein Versprechen des Papstes in den Sinn, das er 1995 bei einem Jugendtreffen in Loreto auf der dem Balkan gegenüberliegenden Adriaseite in einer Live-Fernsehschaltung den Jugendlichen von Sarajevo gesagt hatte: “Wir sind mit Euch. Ihr seid nicht allein!”

Im pädagogischen Team des Jugendhauses Hardehausen entscheiden wir uns, den Weg nach Bosnien zu wagen. In einem kleinen nordbosnischen Dorf in der Erzdiözese Sarajevo wollen wir mit jungen Leuten Wiederaufbauarbeit leisten. Wie ein Lauffeuer geht diese Botschaft ins Land. Zeitungen und Radio-Sender transportieren diese Meldung. Gut zwei Wochen nach der Entscheidung, diesen Weg zu wagen, haben sich schon über 20 junge Leute gemeldet, die mitfahren wollen. Der Friedensweg bekommt einen Namen: “Hände für den Frieden - dem Frieden Hände geben.” Sach- und Geldspenden kommen von überall her. Eine Welle der Hilfsbereitschaft, die wir nicht für möglich gehalten hatten, läuft an.
Eine junge arbeitslose Werkzeugmechanikerin meldet sich. Sie möchte gerne mitfahren. Mit ihr und einem jungen Soldaten, der gerade seinen Wehrdienst beendet hat, fahre ich im April 96 erstmals in das ehemalige Kriegsgebiet. Wir erleben Gebiete, die total zerstört sind. Haus für Haus. Die Moscheen und Kirchen sind oft gar nicht mehr als Gotteshäuser zu erkennen. Es hatten von den Serben Korridore geschlagen werden sollen, in die die anders-ethnischen Menschen nie wieder zurückkehren sollten. Immer wieder stehen wir sprachlos vor den Ruinen und noch mehr vor den Menschen. Hände für den Frieden zu reichen - das verstehen wir schnell- wird neben dem Wiederaufbau ihrer Wohnungen heißen, diesen Menschen in all ihrem Leid oft einfach schweigend nahe zu sein.

Juni 96. Eine große Scheune voller Hilfsgüter hat sich in Hardehausen angesammelt. Mich bedrängt die Frage: Wie soll der Transport organisiert und finanziert werden, da wir ausschließlich von Spenden leben? Mit dieser Frage stehe ich eines abends in unserer Kirche. In meinen Gebeten formuliere ich: “Jesus, du weißt, ich gehe diesen Weg nicht für mich, sondern für dich! Gib uns das, was wir brauchen!” Am nächsten Morgen kam eine Frau und brachte mir die Botschaft, ihr Bruder habe einen großen LKW, den er uns gern schenken würde, da sich seine Firma für einen neuen entschieden habe. Nach zwei Wochen sind uns zwei LKWs in gutem Zustand geschenkt mit denen alle Transportprobleme gelöst sind... Solche Erfahrungen säumen unseren Weg und ermutigen. Allein während der Vorbereitungen wird auch denen, die mir gesagt haben, sie könnten nicht glauben, deutlich, dass wir auf diesem Weg nicht allein sind...

Im Juli 1996 läuft die erste Wegetappe an. 29 junge Leute sind mit 7 Bullis auf dem Weg, verabschiedet unter großem Presserummel. Ein Netz von über 1000 Menschen, die uns mit ihren Gebeten begleiten, hat sich gestrickt. Mittlerweile sind über 7000 time-out-Karten verschickt. Jeden Mittag um 12 Uhr vereinen sich all diese jungen Leute zu einer Gebetsminute für den Frieden. Grüße sind angekommen, von Bischof Lehmann und Bischof Degenhardt, aus Rom von Papst Johannes Paul II., von Chiara Lubich, von vielen Politikern... Mit viel Elan werden in diesen Wochen Häuser wieder aufgebaut und die Fundamente für einen Friedenskindergarten gelegt, der in den kommenden Jahren weitergebaut werden würde. Kontakte zu den Bewohnern von Vidovice entstehen.

Tag für Tag versammeln sich die Teilnehmer des Friedenscamps am Morgen, um aus dem Tagesevangelium ein Motto herauszufiltern, was wir mit allen den Tag über Leben werden lassen wollen. Mottos wie: “Immer als erster lieben!” oder “Nie aufhören, sofort neu anzufangen!” oder “Dem anderen das tun, was ich mir von ihm getan wünsche!” begleiten uns. Abend für Abend gab’s dann die Möglichkeit, gemachte Erfahrungen einander zu erzählen. In diesen abendlichen Stunden ist viel geschehen:
Die junge - oben erwähnte - Werkzeugmechanikerin schrieb mir am Ende des Jahres: “Ich danke Dir für dieses Jahr! Für mich war es ein wichtiges Jahr. Ich habe mich neu für das Leben entschieden!” Später erfuhr ich: Sie war durch tiefe Depressionen geprägt auf eine neue Lebensspur aufmerksam geworden.
Ein junger Abiturient hatte sich als Atheist bezeichnet. “Aber wenn Ihr so was als Kirche macht, dann will ich mitfahren!” Ich hatte mir ihm vereinbart, dass er an den Morgenimpulsen teilnahm und diesen Weg, das Evangelium Leben werden zu lassen, einmal 3 Wochen lang ausprobieren solle. Also: drei Wochen Zweifelverbot! Danach waren Zweifel wieder erlaubt. Er hatte eingewilligt. Am Ende der Tage kam er zu mir mit Tränen in den Augen: “Hier in diesem Land ist so viel Schreckliches passiert. Ich hab so viel Schlimmes gesehen, wie noch nie. Und doch bin ich auch so glücklich wie noch nie. Ich weiß einfach nicht warum!” Ich fragte ihn, ob ich ihm eine Antwort aus meinem Glauben heraus geben könne. Er drängte mich dazu. “Weißt du, du hast begonnen, konkret dein Leben für andere zu verschenken. Die Bibel würde formulieren: zu lieben. Und Jesus hat uns versprochen: Wer liebt, dem werde ich mich offenbaren. Du machst die Erfahrung Gottes.” Er konnte seinen Tränen keinen Einhalt mehr gewähren. Ein paar Monate später rief er mich an. Er hatte sich entschieden, für eineinhalb Jahre nach Israel zu gehen, um dort für die Versöhnung von Juden und Deutschen zu arbeiten.

In den Jahren von 1996 - 2000 sind fast 200 junge Leute auf dem Friedensweg unterwegs gewesen. In den Sommermonaten in großen, im Herbst in kleinen Camps. Über 35 dieser Teilnehmer haben sich entschieden, nach dieser Erfahrung in Bosnien noch ein Jahr ihres Lebens im Ausland zu verschenken. Viele haben ihre Berufswahlen aufgrund der gemachten Erfahrungen treffen können. Der Weg ist international geworden. Vom zweiten Jahr ab sind Jugendliche aus Tschechien, Luxemburg, Brasilien, Sri Lanka und Korea mit auf dem Weg gewesen. Neben dem Wiederaufbau haben wir Kunstprojekte lanciert und internationale Friedenskonzerte arrangiert, zu denen bis zu 1800 Menschen in das kleine Dorf Vidovice gekommen sind. Ein professionelles Video ist entstanden. Kardinal Puljic aus Sarajevo hat uns ermutigt weiterzugehen. Die Jugendlichen der verschiedenen Ländern haben unzählige Aktionen (Flohmärkte, Geburtstagsarrangements, Konzerte, Vorträge...) gestartet, um Geld zu sammeln für diesen Friedensweg. Der Deutsche Bundestag wurde aufmerksam auf diesen Weg und hat den Jugendlichen den Preis “Demokratie leben” verliehen.

Und der Weg ist weitergegangen. Eine selbstorganisierte Gruppe hält weiterhin den Kontakt nach Vidovice und baut den Kindergarten zu Ende. Seit Sommer 2000 sind wir in der Stadt Sarajevo engagiert. Die Hoffnung in dieser Stadt wächst langsam. Weit über 60 % der jungen Leute dort möchten lieber heute als morgen die Stadt verlassen, da sie keine Zukunft für sich innerhalb dieses Landes sehen. Das Versprechen des Papstes: “Ihr seid nicht allein, wir sind mit Euch!” braucht dort einen besonders langen Atem. So habe ich von September bis November 2000 mit den Jugendlichen in dieser Stadt leben können. Mein Zuhause war eine unterirdische Kellerkirche, direkt an der Scharfschützenallee. Das Ambiente war bedrückend und dunkel. In diesen Monaten jedoch habe ich mit den Jugendlichen zu einer Freude und zu einem Frieden durchfinden können, den - wie es das Evangelium formuliert - “die Welt nicht geben kann”. Tag für Tag haben wir das Tagesevangelium nach einem kurzen leb-baren Motto abgeklopft. Dieses Motto haben junge Leute in den Schulen, in den Pfarreien und in den internationalen Organisationen wie der OSZE gelebt - z.T. durch verschiedene Religionen und Konfessionen hindurch. So ist ein neuer Weg entstanden, der mittlerweile über 400 Jugendliche auf einem Weg vereint. “Jesus beim Wort genommen!” Monat für Monat schicken wir Jugendlichen in über 10 Ländern angefangen von Albanien über Bosnien bis nach Deutschland eine kleine ein-laminierte Scheckkarte, auf der sie ein Wort des Evangeliums finden. Jeder, der mitgeht, ist eingeladen, dieses Wort in seiner Alltäglichkeit umzusetzen. Als Hilfe schreiben wir dazu einen kurzen Kommentar, der in verschiedene Sprachen übersetzt wird. Alle Erfahrungen, die wir nach Hardehausen geschickt bekommen, lassen wir allen wieder zukommen. Auch diese “Familie” wächst.
Monatlich gibt es eine Life-Schaltung aus einer Stadt unseres Bistums nach Sarajevo. Sehr persönlich erzählen wir dann einander, wie wir gelebt haben und was neu aufgebrochen ist. Für mich persönlich sind das Augenblicke, in denen ich spüre, was wir im Verlauf der letzten Jahre oft - an den lebendigen Gott gerichtet - gesungen haben: “Wenn du unter uns bist, dann gibt es keine Nacht!”
Als ich vor wenigen Wochen Sarajevo wieder verlassen mußte, um nach Hardehausen zurückzukehren, habe ich Gott bedrängt mit der Bitte um ein Zeichen, ob der Weg für mich mit dieser Stadt weitergehen soll. So fuhr ich in den letzten Novembertagen noch einmal auf die Höhen über Sarajevo. Es regnete. Plötzlich riss die Wolkendecke auf. Die Sonne brach durch. Und es stand ein doppelter Regenbogen am Himmel. Das uralte Zeichen des Bundes: “Ich lasse euch nicht allein. Ich bin mit euch!” Damit war auch für mich klar: “Ich lasse euch nicht allein. Ich bin mit euch!”

In den vergangenen Jahren sind Jugendliche aus Tschechien, Litauen, Bosnien und Albanien zu internationalen Ostertagen immer wieder in Hardehausen gewesen. Mehrfach ergab sich für uns die Chance, an den Attendorner Osterbräuchen teilzunehmen. Für mich waren das jedes Mal bewegende Augenblicke. Die Erfahrung der ersten Auferstehungszeugen: ER, der tot war, lebt! ist in diesen Augenblicken in Attendorn ganz besonders zu spüren. Er, der tot war, lebt in der Liebe derer, die bereit sind, alles füreinander einzusetzen. Diese “Lektion” hat mich Sarajevo in besonderer Weise gelehrt. 

 

 

 

 

Am Anfang stand ein Stau

August 2009

„Ich finde das total beeindruckend, dass ihr -  als katholische Kirche - einen solchen Friedensweg geht und Menschen auf dem Balkan helft, einen wuerdigen Lebensabend in ihren eigenen Wohnungen zu verleben!“ hoere ich noch den Buergermeister von Kamen bei unserer Abfahrt sagen. Kurz vorher hatte ein Jugendlicher noch gesagt: „Kirche finde ich normalerweise 'bloed'! Sie ist immer so steif und weit weg von mir, irgendwie fremd und uncool. Aber so ein Camp, das will ich auf jeden Fall mal miterleben.“

Unsere Fahrt begann. Unerwartet brauchten wir dieses Mal aufgrund vieler Staus 25 Stunden bis Sarajevo.. Verschenktes Leben. Und das ging so weiter. Jetzt am Ende des Camps haben wir 20 Wohnungen von alten Menschen renoviert und in einer Kunstgruppe das Logo des Jugendhauses Johannes Paul II. kreativ verarbeitet. Unzaehlige Kilometer und Besuche in  Maler- und Sanitaergeschaeften, in Baumaerkten und auf Maerkten liegen hinter uns. Verschenktes Leben, Tag fuer Tag neu. Und alles gepraegt vom Tagesevangelium. Morgen fuer Morgen hatten wir das jeweils anstehende Evangelium gelesen und waren mit einem kurzen Motto in den Tag gestartet: 'Immer als erster lieben!' – 'Nicht ich – sondern DU!' – 'Neu sehen lernen!' Dieses Motto half uns, dem Lebenstil Jesu auf die Spur zu kommen und auf unsere innere Stimme zu hoeren. Und abends bestand die Einladung, in einer kleinen Austauschrunde ueber die Erfahrungen des Tages ins Gespraech zu kommen. Mehr und mehr entdeckten einzelne, wie ER in ihrem persoenlichen Leben gegenwaertig ist und gehoert werden kann. In der Messe zum Tagesabschluss gab es fuer jeden die Moeglichkeit, nochmals DANKE zu sagen (eucharistein) und den Tag in Jesu Haende zurueck zu legen.

„Irgendwie ist das Leben hier total cool!“ hoere ich eine junge Teilnehmerin sagen. Ich will gar nicht nach Hause... wir gehoeren schon total zusammen.“ Eine andere sagt: „Wenn wir abends so zusammen unsere Erfahrungen austauschen bin ich immer echt froh mitzukriegen, was die anderen erlebt haben und wie Gott irgendwie dabei war.“ Ein junger Mann: „Als ich gestern in die Augen der alten Leute schaute, deren Wohnung wir wieder gestrichen haben und Traenen in ihren Augen sag, dacht ich: Botschaft ist angekommen!“

Moderne Apostelgechichte, vorangebracht vom und im Geist des Friedens.Eine kleine Gemeinschaft auf Zeit (koinonia) hatte sich gegruendet, fuer die jungen Leute attraktiv, weil sie die 3 Grundvollzuege der Kirche in ihr lebendig erlebt haben. Ansatzpunkt war aktiver Friedensdienst. „Lieben mit der Kraft der Haende!“ hat es Vinzenz von Paul genannt und so haben die jungen Leute tatkraeftig renoviert und mit den alten Menschen viel Zeit verbracht (diakonia). Uber ihre Erfahrungen sind sie miteinander ins Gespraech gekommen, haben einander an dem, was Gott in ihnen tat und an Leben aufbrechen liess, teilhaben lassen (martyria). Am Anfang eines jeden Tages stand ein kurzer Gesang (mit dem Tagesimpuls) und abends die taegliche Messe (liturgia). Als „steif“ und „weit weg“, als „fremd“ und „uncool“ war Kirche am Anfang erlebt worden. In diesem Camp erschien sie vielen als „lebendig“ und „nah“, als „ihre Kirche“ und deshalb „cool“.

Nach dem „Geheimnis dieses Camps“ gefragt, kommt mir das Wort Jesu in den Sinn: „Es gibt keine groessere Liebe, als wenn einer sein Leben gibt fuer seine Freunde!“ Kirche ist eben vor allem eine Da-Seins-Form, ein  SEIN-FUER, wie es der verstorbene Bischof von Aachen, Klaus Hemmerle, gesagt und gelebt hat.

 

 

 

Der bosnische Pinsel
August 2010


“Ich hab auch etwas zu erzählen!” sagt Anita. Sie ist 17 Jahre und stammt aus Vogosca, einer Vorstadt von Sarajevo im Herzen Bosniens. Wir sind beim abendlichen Austausch im Altarraum der kleinen Kirche von Vogosca. “Unsere Aufgabe war es heute, den großen Zaun rund um die Grundschule des Ortes anzustreichen. Es war total heiß. Wir waren zu siebt und für mich war kein Pinsel mehr da. Also hab ich mir aus einem Stock und einem Tesa-Krepp-Band einen Ersatzpinsel gebastelt. Und ich hab damit weiter angestrichen. Auf einmal stand ein junger Mann aus Vogosca am Zaun. Er fragte mich, was wir dort machten. Ich hab ihm von unserem Camp erzählt und davon, dass wir mit Jugendlichen aus Deutschland, Bosnien, Frankreich und verschiedenen Orten Bosniens 17 Tage lang vorrangig alten hilfsbedürftigen Menschen und kinderreichen Familien helfen, ihre Wohnungen wieder in Schuss zu bringen. Er war sichtlich gerührt und fragte, ob wir noch etwas bräuchten. Ich winkte ab, denn er war mir alles andere als sympathisch.”
“Stop and go!” war an diesem Tag das Motto im Camp. Vom Tagesevangelium her hatten wir uns motivieren lassen, immer wieder “Stop!” zu sagen, wenn wir den Eindruck hatten, aus der konkret gelebten Liebe heraus zu fallen. Und dann hieß es wieder: “Go!” im Sinne konkreter Schritte der Liebe.
Anita erzählte weiter: “Nach 10 Minuten kam der junge Mann wieder. Er hatte zwei neue Pinsel in der Hand und übergab sie mir. Ich war ganz gerührt, denn einen solchen Schritt konkreter Hilfe hatte ich ihm nicht zugetraut. Ich hab gelernt, mich nicht nur vom Äußeren eines Menschen leiten zu lassen, sondern wirklich an die Liebe im anderen zu glauben!”

Mit 25 bis 40 jungen Leuten sassen wir Abend für Abend bei der Austauschrunde und lauschten gespannt den Erfahrungen der Campteilnehmer. Jeder hatte die Chance zu erzählen, wie er oder sie das Motto des Tages hatte Leben werden lassen und wie sie so mehr und mehr Gott auf die Spur kamen. “Ich hab lange so gelebt, als ob es Gott nicht gäbe”, erzählte ein junger Mann. “Aber durch eine echte Krise in meinem Leben hat sich mir eine Ahnung zu gespielt, dass es ihn doch gibt. Und ich bin mit ins Camp gekommen, um IHN kennen zu lernen. Stellt euch vor. Wir haben nun 5 Tage in der Wohnung eines alten Ehepaares gearbeitet. Sie haben sich so auseinander gelebt, dass kaum noch etwas zwischen ihnen möglich ist. Die Frau schließt nachts ihre Zimmertür ab, sie hat Angst vor ihrem Mann. Und heute Abend, als alle Arbeit getan war, sassen wir noch kurz mit den alten Leuten zusammen. Plötzlich nahm der alte Mann seine Frau behutsam in den Arm und gab ihr einen Kuss. Das war der erste nach ganz vielen Jahren. Ich war ganz betroffen! Ich hab gemerkt: Es ist echt diese Liebe, die wir hier zu leben bestrebt sind, die so viel in Bewegung bringt. Irgendwie spüre ich Gott in all dem lebendig!”

23 Wohnungen haben die Jugendlichen renoviert, Wohnungen, die in völlig verschiedenem Zustand waren. Bei Frau Beslic sah alles noch recht gut aus und sie selber war so kräftig, dass sie die Arbeit hätte auch alleine tun können. Und so rumorte in einigen die Frage: “Warum tun wir das hier eigentlich?” Beim Abschied vertraute sie den Jugendlichen an: “Ich bin immer so allein und in meiner Familie herrscht so viel Ungerechtigkeit, dass es für mich die größte Freude war, dass ihr einfach gekommen seid und diese Tage mit mir wart. Das war die größte Freude dieses Jahres!” 
Bei Kiamets sah es im Kinderzimmer aus, als sei gerade eine Bombe eingeschlagen. Zwei Meter hohe Wäscheberge, ein auseinander gefallener Schrank und zwei total zerschlissene Sofas, auf denen 4 kleine Jungs zu schlafen hatten. Wie sollten wir dadurch kommen? Der Plan entstand, 2 Doppelstockbetten zu bauen, das ganze Zimmer anzustreichen, eine Schlafzimmerlampe zu besorgen und einen neuen Fußboden zu verlegen, damit die 4 kleinen Kinder menschenwürdig unterkommen und aufwachsen konnten. Damit stand wieder ein Workshop für ca. 4-5 Tage. Am Ende brachten wir die Betten mit Lattenrosten und Matratzen. “Ich hab noch nie gesehen, dass sich Kinder so über ein Bett freuen können!” bemerkte Marcus aus dem “Workshop Kiamet”. Die sind den ganzen Tag nur noch auf den Betten herum geturnt...

Ein Kunstworkshop hatte in der örtlichen Schule ein großartiges Kunstwerk zu Papier gebracht: Eine die ganze Schöpfung in gleißendes Licht tauchende Sonne. Traumhaft. Dieses Werk sollte auf eine große Wand in der Schule aufgetragen werden. Kurz vor dem Malerstart an der Wand, zog die Direktorin der Schule ihre Erlaubnis zurück. Sie bekam Angst, da sie das Projekt nicht mir ihren Vorgesetzten abgesprochen hatte. Wir ahnten, dass in diesem Vorort Sarajevos, der einst als “Stadt ohne Gott” gebaut worden war und der eine der Vorzeigestädte des ehemaligen Jugoslawien werden sollte, auch noch verborgene Motive und Ängste eine solche Entscheidung beeinflussten. 20 000 Muslime lebten hier und nur 200 katholische bosnische Kroaten. Es war völlig ungewohnt, dass von jungen Christen und Christinnen solche Aktionen hier zum Wohle der Stadt ausgeführt wurden, einfach um bedürftigen Menschen zu zeigen: “Ihr seid geliebt!” So war auch das Leitthema des Camps mittlerweile tief in den Herzen der jungen Leute verwurzelt. Es lautete: “Du bist geschaffen, um zu lieben!”

Dieser konkret gelebten Liebe, die nicht urteilt, sondern die immer weiter geht und sich verschenkt, galt es auch in solchen Augenblicken zu folgen. Wir hatten auch ein privates Jugendzentrum in Vogosca neu angestrichen. Es war vor gut 3 Jahren mit finanziellen Mitteln der AWO in Bremerhafen aufgebaut worden. Also klopften wir bei diesem Jugendzentrum an und wurden mit der Idee, das Gemälde dort auf die Wand zu malen, begeistert aufgenommen. Als das Gemälde fertig gestellt war, fand sich eines Abends die ganze Campgruppe - 60 junge Leute an der Zahl - dort ein, um auf das Gemälde anzustoßen. Fast schon vertraut strömten die jungen Leute in dieses Zentrum. Die Tage des gemeinsamen Arbeitens dort hatten Brücken zwischen allen entstehen lassen. Als wir nach dem Anstoßen mit “korfola” - einem Kultgetränk aus Tschechien, das die tschechischen Campteilnehmer mitgebracht hatten - in unseren Plastikbechern das Lied der Emmausjünger sangen, war über alle Nationalitäts- und Sprach-Grenzen zu spüren, was wir sangen: “Wenn DU unter uns bist, gibt es keine Nacht!”

“Ich komme so gerne zu euch!” bestätigte auch Louise aus Frankreich. Über Judith, eine junge Deutsche, die bereits 4 Mal an den Camps des bosnischen Friedensweges teilgenommen hatte und die Ost-Europa-Studien in Maastricht, Sarajevo und London absolviert hatte und mittlerweile in Sarajevo lebt, hatte sie von diesem Camp gehört. So war sie während eines Monats, den sie in Sarajevo verbrachte, zu uns gestoßen und kam immer wieder, wenn sie Zeit hatte. “Unglaublich, ihr seid eine so große Gruppe. 60 Leute. Und irgendwie herrscht so ein Friede unter euch. Das Zusammenleben funktioniert. Und ich fühl mich wohl und komm einfach gerne her und arbeite mit euch für die Leute hier!” Von Gott hatte sie in ihrer Lebensgeschichte wenig mitbekommen. Aber hier spürte sie Leben und sie kam immer wieder.

Das gleiche Strahlen war in den Augen des Ortspfarrers Marijan Orkic zu sehen. Er hatte von Anfang an begeistert reagiert, als wir gefragt hatten, ob wir dieses Jahr bei ihm unser Friedenscamp organisieren durften. Er hatte alle Wohnungen organisiert - auch mit Hilfe des roten Kreuzes. Er hatte alle Kontakte aufgebaut, auch zum örtlichen Fernsehen, die mit ihren Teams immer wieder vorbei schauten, so dass unser Camp in Vogosca und in ganz Sarajevo Gesprächsstoff war. “Ich hab immer nur ca. 20 Leute hier in der Kirche und die meisten von ihnen sind alt. Aber jetzt, wo ihr da seid, sind meine beiden Kirchen ganz voll. Und fast nur junge Leute. Ja, das ist die Kirche, eine Familie vereint aus Menschen verschiedener Sprachen, Länder und Altersstufen!”

Abend für Abend brannte auf der großen Wiese vor dem Pfarrhaus, auf dem die 10 Zelte aufgebaut waren, in denen die Campteilnehmer schliefen, noch ein Feuer. Es wurde gespielt, erzählt, gelacht, gesungen und getanzt. Dieses Feuer war für mich wie ein Symbol des Camps. Abend für Abend entfachten es die Jugendlichen selber. Wir hatten ihnen nur den Raum dafür gegeben. Sie brachten sich füreinander, miteinander und eben für andere ins Spiel und dabei öffnete sich so manches Herz. Auch das von Maruschka. Sie war aus Tschechien und sagte mir: “Weißt du, ich glaube nicht mehr. Ich bin Atheistin!” Sie lebte die Tage des Camps mit, voller Entschiedenheit und fragte Diana, die im September dieses Jahres mit zwei bosnischen jungen Frauen des Camps, die für ein Jahr nach Kamen kommen werden, in Kamen eine internationale WG eröffnet: “Darf ich für 2-3 Wochen zu euch nach Kamen kommen und euch besuchen. Dieses Leben hier hat mein Herz so berührt. Ich möchte es tiefer kennen lernen!”

Spät abends - nach langen planerischen Teamsitzungen, denn 60 Leute wollten ja Tag für Tag verpflegt und in Workshops untergebracht werden - auf meiner Matratze liegend, wanderten meine Gedanken: “Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen und wie froh wäre ich, es würde schon brennen!” Dieses Wort Jesu kam mir in den Sinn. Hier brannte ein Feuer. Das Feuer der konkret gelebten Liebe, die sich für den Nächsten einsetzt und die gegenseitig wird. Dieses Feuer entfachten die jungen Leute Tag für Tag neu - auf unserem Campgelände und in den Herzen vieler, denen sie unentgeltlich halfen. Sie hatten ja im Gegenteil für diese Reise noch ihren Teilnehmerbeitrag bezahlt.

Und dieses Feuer wärmte viele, ja, es zog Kreise unter den Einheimischen und weit darüber hinaus. “Na klar”, hörte ich Annelies, “ich hab einen Nachbarn bei unserer Baustelle gefunden, der setzt unentgeltlich seinen kleinen LKW ein und holt uns Sand und Zement. Und übrigens: Heute morgen fragte mich im Penny-Markt - einem großen Baumarkt - die Verkäufern, wofür wir denn so viel Material immer bräuchten. Ich hab ihr dann erzählt, wem wir alle helfen. Sie war ganz platt, denn sie hatte gedacht, dass wir unseren Familien, die dort möglicherweise in Vogosca lebten, helfen würden.” Und diese Botschaft sprach lebendigst aus einer kleinen Performance, die vier bosnische Jugendliche des Camps entwickelt und in mühevoller Kleinstarbeit mit 6 Kindern aus Vogosca einstudiert hatten. Es war bewegend anzusehen, wie die Kinder des Ortes die Botschaft des Miteinanders erlebt und nun mit Hilfe der Jugendlichen auf die Bühne brachten.

Auch der muslimische Bürgermeister Asim Sarajlic, den wir im Frühjahr des Jahres kurz besucht hatten, nahm das Engagement der jungen Leute wahr. An der Hauptausfallstrasse nach Nordbosnien hatten wir Andja, einer alten Frau, die in völlig verkommenen Zuständen lebte, geholfen, ihr Haus wieder sauber zu machen. Allein um ihr Haus waren 15 Tonnen Müll aufgeschichtet. Sie hatte nichts weggeworfen. Und in ihrem Haus waren alle Zimmer bis unter die Decke mit Müll aller Art angehäuft. Es stank bestialisch und sie kroch Abend für Abend in das Haus, in dem keine Tür mehr zu öffnen war, und schlief dort. Nachdem dort drei Schlangen gefunden waren, griffen wir noch auf die Hilfe des örtlichen Ordnungsamtes zurück. 5 Tage harter Arbeit für bis zu 15 Personen von uns. Dann erstrahlten zwei Zimmer der alten Frau wieder in neuem Glanz, natürlich mit einem stabilen Holzbett, selbst gefertigt von den Jugendlichen. Und vor dem Haus hatte sich erneut meterhoch der Müll aufgebaut. Weit über 30 Jahre hatte sich niemand an dieses Haus getraut. Wir fanden beim Aufräumen Prospekte der Olympischen Winterspiele von 1984. Nun  - getrieben durch eine Liebe, die bereit ist, an jeden Ort zu gehen - geschah “Aufbruch”. Der Bürgermeister fuhr an dem Haus vorbei zu einem seiner Termine. Er hupte und winkte, wie so mancher in diesen Tagen. Im ganzen Tal sprachen die Leute von den Jugendlichen, die sich für nichts zu schade waren und einfach der Liebe ihre Hände, ihre Füße und ihren jugendlichen Elan gaben.

Bevor ich einschlief kam mir noch eine Frage: Zeigte uns Gott hier nicht einen Weg, wie ER mit seiner Kirche weiter geht? Einer Kirche, die sich aussetzt für die, die sie brauchen. Einer Kirche, die ganz auf die Liebe baut und sich für nichts zu Schade ist. Einer Kirche, die brennt, weil ER, Jesus, in der Mitte all dieser kleinen Zellen lebt und brennt. Einer Kirche, die für viele anziehend ist, weil sie jeden frei lässt und seinen oder ihren Weg finden lässt. Einer Kirche, die sich jeden Tag um das Geheimnis der Eucharistie versammelt und für all die betet, denen sie am Tag begegnet war. Einer Kirche, die Netzwerk geworden ist, lebendiger Organismus für diese Welt.

Mein Nachtgebet kreiste um die Pinsel, die Anita geschenkt worden waren. Der Pinsel weiß nicht, was durch ihn geschieht und was durch ihn Gestalt annimmt. Er überlässt sich ganz der Hand des Meisters. Er, der Meister, ist es, der das Werk entstehen lässt. Der Pinsel ist nur Werkzeug. Ich “sah”, was Gott, der Meister, in diesen Tagen hatte entstehen lassen; ich “sah” die vielen frohen Gesichter der Jugendlichen und derer, denen wir geholfen hatten, vor mir; ich “sah” all die Bilder, die in den Zeitungen erschienen und über Fernsehen weiter transportiert waren; ich “sah” in den Abendrunden all die Jugendlichen, die von ihren inneren Schritten und den Erfahrungen erzählten, ich “sah” all die Kinder und Jugendlichen aus Vogosca, die aufgesprungen waren und mitgemacht hatten; ich “sah” all die Muslime, mit denen wir geschwisterlich in diesen Tagen zusammen gelebt hatten und die wir “entdeckt” hatten, ich “sah” eine neue Gestalt der Kirche, die - arm, elementarisiert auf die Gegenwart Jesu zurück geworfen - wieder neu zu dem wird, was ihr als Ruf eingeschrieben ist: Salz, Sauerteig und Licht für diese Welt zu sein.

Mit einem letzen Bild vor Augen schlief ich ein: Ich sah noch einmal die leuchtenden Augen von Elisabeth, meinem Patenkind. Mit ihr war ich an einem der letzten Tage noch in eine mehr als bedrückende Situation eingetaucht. Wir hatten eine muslimische Familie besucht, die kaum noch Hoffnung hatte. In einem zerfallenen Haus trafen wir sie, die alte 93jährige verkrüppelte Mutter, die kaum noch sehen konnte und nur auf einem alten Kanapee lag - ihre Tochter, die mit 75 Jahren auch nicht mehr laufen konnte und völlig verkrüppelte Hände hatte - ihr Mann der einen Trichter in der Luftröhre trug, um noch atmen zu können -  deren Tochter, die ebenfalls verkrüppelt und mit Lähmungserscheinungen in der Ecke sass. Auch sie waren - wie so viele in Vogosca - nach dem Massaker in Srebrenica von dort hierher gekommen. Sie hatten nichts. Sie waren in einem Haus untergekommen, das ihnen nicht gehörte und das nun zum Verkauf anstand. Sobald es verkauft sein würde, standen sie auf der Straße. Die Frauen weinten immer wieder und waren zugleich so gerührt, dass wir sie besuchten und eine knappe Stunde bei ihnen blieben. Wir hatten ihnen eine große Lebensmittelkiste mitgebracht, zum Teil von einer jungen Familie aus Sarajevogeschenkt bekommen, die mir gesagt hatten: “Meinolf, wir haben so viel Leid in den Jahren des Krieges erlebt. Wir halten all das Leid kaum noch aus. Wir schaffen es so gerade, unser eigenes zu tragen. Gut, dass ihr kommt und hier helft. Wir geben euch ein wenig Geld und Lebensmittel für diese Menschen!” So brachten wir all das mit. Und als wir uns verabschiedeten, nahm die 93-jährige Frau den Kopf von Elisabeth liebevoll in ihre Hände und küsste sie immer wieder.


ER unter uns -
über alle Grenzen hinweg -
eine neue Kirche,
eine Kirche für die geschundene Welt,
in der der Himmel die Erde küsst.
                              

 

 

Gastfreundschaft


Tritt durch den Spalt,

atme de Ordnung,

lerne am Herd

die Würdes des Gastes

und empfang

in der Fülle der Gaben

deren königliche:

anvertrautes Leid.

                    Klaus Hemmerle