Weltjugendtag 2013 in Rio de Janeiro

“Seid die Hauptdarsteller!

Spielt im Sturm!” -

 

 


“Ich hab so was wie einen Schlüssel für mein Leben gefunden!” höre ich Benjamin sagen. Wir sitzen im Collegio Notre Dame von Ipanema und tauschen uns aus über die Erfahrungen, die wir in unserer Gruppe der Freunde des Wortes in der ersten Woche des Weltjugendtages in Brasilien gemacht haben. 34 weitere Pilger lauschen gespannt, was ein jeder zu erzählen hat. “Ja”, fährt Ben fort, “ ich hab immer gesucht, echten Sinn für mein Leben zu finden. Und die Antwort ist irgendwie ganz einfach. Ich muss ‘nur’ die Worte Jesu leben!” Gut zwei Wochen später schreibt er in einer Mail: “Wir waren heut mit ein paar Leuten bei einem Kumpel eingeladen und haben dort Burger gegrillt. Immer wieder musste mein Freund ins Haus laufen und noch verschiedene Dinge holen. So richtig dabei helfen wollte ihm keiner. Als mir das bewusst wurde, dachte ich: Endlich bekommst du heute die Chance, jemandem beizustehen. Also ging ich und half ihm, wusch Salat und röstete Brötchen. Und es hat mich richtig glücklich gemacht, endlich noch Liebe schenken zu können an diesem Tag.”

Mit 35 jungen Leuten hatten wir uns auf den Welt nach Rio gemacht, ein jeder auf dem Weg engagiert, die Kraft und Freude des gelebten Evangeliums zu entdecken. Am 19 Juli morgens hatten viele unserer Gruppe noch die Schulbank gedrückt, nachmittags trafen wir uns alle am Flughafen in Frankfurt und abends um 22.15 Uhr saßen wir in der Maschine LH 500 - Richtung Rio. Über die brasilianischen “Freunde des Wortes” in Rio hatten wir als Unterkunft für die Woche des Weltjugendtages in Rio eine große Schule der Notre-Dame-Schwestern gefunden. Im Laufe der Woche nahmen diese Schwestern über 1600 junge Menschen auf und gaben ihnen eine Bleibe auf ihrem Pilgerweg - sie kamen aus aller Herren Länder, aus Frankreich und dem Senegal, aus Ghana und Dänemark, aus Peru und Chile und eben aus Deutschland. Nach dem WJT hatte uns Schwester Araci geschrieben: “Ihr habt unserem Haus und unserer Schule Segen gebracht!” Es war bewegend mit welcher Direktheit und Einfachheit diese zum Teil schon alt gewordenen Schwestern immer unter den Jugendlichen präsent waren, um einzuspringen, wo Hilfe Not tat. Am Ende sagte eine der Schwestern zu Petra: “Weißt Du, Du mußt jetzt mit all diesen Erfahrungen einfach weitergehen und Jesus treu bleiben!” Und dann segnete diese über 80jährige Schwester unsere Pilgerin.

An unserem ersten Nachmittag in Brasilien war Viviana und Michel zu uns gekommen. Viviana hatte ich im Jahr 2005 in Paderborn beim Weltjugendtag kennen gelernt. Nach über 8 Jahren hatte sie mich auf facebook gefunden und gefragt: “Kennst Du mich noch? Ich war damals beim WJT in Paderborn und Köln. Und weil ihr euch so um mich gekümmert habt, wurden diese Tage zu den schönsten meines Lebens! Kommt ihr auch nach Rio? Wenn ja, würd ich Euch so gerne behilflich sein!” Und wie Viviana und ihre Freunde uns halfen! Am ersten Tag erfuhren wir in einer liebevoll gestalteten Powerpointpräsentation, dass Brasilien nicht nur Copacabana und Fußball ist, sondern viel, viel mehr! Mit ihrer liebenswürdigen und einladenden Art halfen sie uns müden Pilgern, gut in ihrem Land anzukommen. Ein gemeinsamer Gang durch das wunderbare Stadtviertel von Ipanema schloss sich an. Wir entdeckten, wo wir etwas zu essen bekommen und wo wir den wunderschönen Strand finden konnten. Am Dienstag der WJT-Woche hatten die beiden all ihre Freunde aufgeboten und sich mit unserer Gruppe in Kleingruppen aufgeteilt. An ganz verschiedene Orte führten sie uns in Rio, in ihre Stadt und überall wurden Begegnungen möglich - mit der Stadt, mit Jugendlichen und Priestern der Kirche und mit wunderschönen touristischen Orten. Nach den Tagen in Rio lese ich in einer Mail von Viviana: “Ihr wart so ein großes Geschenk für uns. Kirche ist für uns hier in Brasilien immer nur ‘brasilianisch’. Unser Land ist eben so groß. Aber als ihr alle hier wart, da haben wir die Kirche wirklich als jung und international, als jung und katholisch erlebt. Das war das Schönste und Größte, was uns geschenkt worden ist!”

Diese Erfahrung einer jungen, frohen und lebendigen Kirche traf auch Papst Franziskus sehr und ihm gelang es, die Herzen der Jugendlichen zu erreichen. An der Strand-Promenade Copacabana traf er sie zum ersten Mal am Donnerstag der WJT-Woche. Er kam in einem kleinen, offenen Wagen und immer wieder verließ er diesen Wagen, um Kinder zu segnen und um behinderte Jugendliche in seinen Arm zu nehmen. Hier war ein väterlicher Seelsorger den Seinen nahe! Und gleich bei dieser ersten Begegnung wandte er sich an die Jugend der Welt und sagte: “Vom Corcovado - der berühmten Christus-Statue hoch über Rio - aus umarmt und segnet uns Christus der Erlöser. Wenn ich auf dieses Meer schaue, auf den Strand und euch alle, kommt mir in den Sinn, wie Jesus die ersten Jünger am Ufer des Sees von Tiberias rief, ihm zu folgen. Heute fragt uns Jesus immer noch: Willst du mein Jünger sein? Willst du mein Freund sein? Willst du Zeuge meines Evangeliums sein? Mitten im Jahr des Glaubens laden uns diese Fragen dazu ein, unseren Einsatz als Christen zu erneuern. Eure Familien und Gemeinschaften vor Ort haben euch das große Geschenk des Glaubens weitergegeben, Christus ist in euch gewachsen. Heute möchte ich kommen, um euch in diesem Glauben zu bestärken, dem Glauben an den lebenden Christus, der in euch wohnt.(...) Und seid sicher: Mein Herz umfängt euch alle mit grenzenloser Zuneigung.”

Diese Zuneigung des Papstes strahlte aus! “Das ist der erste Papst, den ich echt verstehe!” sagte mir ein Mädchen - und das unter nicht leichten Bedingungen. Es war so kalt in Brasilien -   auch am Strand der Copacabana, dass viele richtig froren. Und zu der gelungenen Liturgie und den frohmachenden Gesängen, die bis weit in die Stadt hinein schallten, gesellte sich immer und immer wieder der gellende Ruf der Straßenverkäufer: “Capa!” Das waren Regen-Ponchos, die, als Schutz vor dem immer wieder einsetzenden Regen, für ein paar Reals überall zu erstehen waren.

Und da das Wetter den Platz von Guaratiba in eine Schlammlandschaft verwandelt hatte, blieb die Copacabana für den Kreuzweg, die samstägliche Vigilfeier und auch den Abschlussgottesdienst der Ort der Begegnung. Vorbereitet hatten wir uns in Rio auf diese Begegnungen mit katechetischen Treffen mit Bischof Wiesemann in Leme und mit Weihbischof König in unserer Unterkunft in Ipanema. - einmal im großen Getümmel deutschsprachiger Pilger und einmal in der vertrauteren Runde der Freunde des Wortes. Und immer neu galt es, das Wort des Evangeliums zu leben. Dazu halfen uns die Mottos der Tages-Evangelien, die wir Tag für Tag neu mit ins Tagesgepäck nahmen. Über allem blieb das Motto “Du-Selig sein!”, also: Ins Du mich verlierend, werde ich selig. Und dieses Motto hatten alle tief in ihr Leben eingesogen. “Als ich krank war”, sagte einer der Pilger bei der Abschlussrunde, “da war ich eigentlich nie allein. Immer hat sich jemand um mich gesorgt und mir das gebracht, was ich brauchte - und das, obwohl wir uns doch vorher gar nicht so gut kannten!” - Eine andere Pilgerin sagte. “Geht mir genauso, auch als es mir in den Tagen vor Erschöpfung mal nicht so gut ging und ich so viele Fragen und auch Sorgen in der Seele hatte, fand ich immer jemanden, mit dem ich dann reden konnte!” Eine weitere Pilgerin, die sich eher tastend auf den Weg des Glaubens gemacht hat, sagte am Ende einer Freundin. “Ich hab hier mit ‘mehr oder weniger fremden Leuten’ über Dinge gesprochen, über die ich sonst bisher nur mit meiner Mutter gesprochen habe. Das hätt ich nie für möglich gehalten!

Glauben wurde neu erlebbar - brach zum Teil zum ersten Mal auf. “Aber was können wir tun?”, hatte der Papst am ersten Tag gefragt? Seine Antwort war der Name eines Stadtteils von Rio: “Bota fé!“- Füg Glauben hinzu! „Was bedeutet das?” hatte er weiter gefragt. “Wenn ein gutes Gericht zubereitet wird, und du merkst, dass Salz fehlt, dann ‘tust’ du noch Salz dazu; fehlt Öl, dann ‘tust’ du noch Öl dazu … „Dazutun“, d. h. einbringen, eingießen. So ist es auch in unserem Leben, liebe junge Freunde. Wenn wir wollen, dass es wirklich sinnerfüllt ist, so wie ihr es wünscht und verdient, dann sage ich jedem und jeder von euch: „Füg Glauben hinzu“ und das Leben wird einen neuen Geschmack haben, das Leben wird einen Kompass haben, der die Richtung anzeigt. „Füg Hoffnung hinzu“  und jeder deiner Tage wird hell sein und dein Horizont wird nicht mehr düster, sondern klar sein. „Füg Liebe hinzu“  und dein Leben wird wie ein Haus sein, das auf Fels gebaut ist, dein Weg wird voll Freude sein, denn du wirst viele Freunde treffen, die mit dir gehen. Füg Glauben, Hoffnung und Liebe hinzu! Alle zusammen: „Füg Glauben hinzu!“, „Füg Hoffnung hinzu!“, „Füg Liebe hinzu!“


Und dann riefen über 3 Millionen junge Menschen: “Füg Glauben hinzu! - Füg Hoffnung hinzu! Füg Liebe hinzu!” Und es war klar, dass uns all das nur Jesus schenken konnte und so lud der Papst alle Pilger ein, sich ehrlich zu fragen: “In wen setzen wir unser Vertrauen? In uns selbst, in die materiellen Dinge oder in Jesus? Alle sind wir oft versucht, uns selbst in den Mittelpunkt zu stellen, zu glauben, dass wir die Achse des Universums sind, zu glauben, dass es an uns allein liegt, unser Leben aufzubauen, oder zu denken, dass Besitz, Geld, Macht es glücklich machen. Aber wir alle wissen, dass es nicht so ist! Sicher, der Besitz, das Geld, die Macht können einen Augenblick des Rausches bieten, die Illusion, glücklich zu sein, aber am Ende sind diese Dinge es, die uns besitzen und uns drängen, immer mehr zu wollen, nie genug zu haben. Am Ende sind wir „abgefüllt“, aber nicht genährt, und es ist sehr traurig, eine „abgefüllte“, doch schwache Jugend zu sehen. Die Jugend muss stark sein, sich von seinem Glauben nähren und nicht mit anderen Dingen abfüllen! „Füg Christus hinzu“,  nimm Christus in deinem Leben hinein, setze dein Vertrauen in ihn und du wirst nicht enttäuscht sein!

Wir durften mit erleben, wie Papst Franziskus die jungen Pilger zu einer kopernikanischen Wende einlud.  Der Glaube, so ließ er alle verstehen, “rückt uns aus dem Mittelpunkt heraus und stellt Gott wieder in die Mitte; der Glaube taucht uns in Gottes Liebe ein, die uns Sicherheit, Kraft und Hoffnung gibt. Äußerlich scheint sich nichts zu ändern, aber tief in unserem Innersten ändert sich alles. Wenn Gott da ist, wohnen in unserem Herzen Friede, Sanftmut, Herzlichkeit, Mut, Gelassenheit und Freude, die Früchte des Heiligen Geistes sind (vgl. Gal 5,22). Unser Leben wird also verwandelt, unsere Weise zu denken und zu handeln erneuert sich, sie wird die Weise des Denkens und Handelns Jesu, des Denkens und Handelns Gottes. Liebe Freunde, der Glaube ist revolutionär, und heute frage ich dich: Bist du bereit, in diese revolutionäre Welle des Glaubens hineinzugehen? Nur wenn du in diese Welle hineingehst, erhält dein junges Leben Sinn und so wird es Frucht bringen.”

Auf unseren Heimwegen nach Ipanema und abends auf den Isomatten liegend waren das bleibende Themen. Wie geht es, zu glauben? Wie geht es, in unserer glaubensfernen Welt, dem Glauben treu zu bleiben. Themen waren auf einmal im Gespräch, die sonst nur selten bedacht werden. “Ich spüre”, sagte eine junge Frau, “dass mein Glaube, der mir so lange so fremd war, auch etwas mit der Beziehung zu meinen Eltern zu tun hat. Dieser Draht zu ihnen, ist nicht gut. Irgendwie spüre ich, dass mein Vater mich gar nicht richtig liebt. Er hat mich noch nie richtig in den Arm genommen. Aber ich hab verstanden, dass ich ja die Beziehung neu anfangen kann und jetzt auch will!” - Füg Hoffnung, füg Liebe hinzu, war im Herzen dieser jungen Frau angekommen.

Und dann wandte sich Papst Franziskus in der nächtlichen Vigilfeier auf der Copacabana an jeden einzelnen der Jugendlichen: “Auch heute noch braucht der Herr euch junge Menschen für seine Kirche. Liebe junge Freunde, der Herr braucht euch! Auch heute ruft er jeden von euch, ihm in seiner Kirche zu folgen und Missionar zu sein. Liebe junge Freunde, der Herr ruft euch! Nicht haufenweise, als Masse! Er ruft dich und dich und dich, jeden einzeln; hört im Herzen, was er euch sagt.” Und dann deutete Papst Franziskus die Umdisponierung der Abschlussveranstaltung an die Copacabana und ließ uns verstehen, dass Jesus uns damit sagen wollte, dass der “Campus fidei”, das Feld des Glaubens, wie das Gelände der Abschlussveranstaltung in Guaratiba - 40 Kilometer südlich von Rio gelegen - genannt wurde, in einem jeden von uns zu finden ist. Wir bergen das Feld, auf dem die Samenkörner des Wortes ankommen wollen. Und auf diesem Feld unseres Glaubens will Gott etwas wachsen lassen

So ging der Papst ausführlich auf Wachstumhemmendes ein und sagte: “Jesus sagt uns, dass die Samen, die an den Wegrand, die zwischen die Felsen oder in die Dornen gefallen sind, keine Frucht gebracht haben. Ich glaube, dass wir uns ganz ehrlich fragen können: Was für eine Art Boden sind wir, was für eine Art Boden wollen wir sein? Vielleicht sind wir manchmal wie der Weg: Wir hören den Herrn, aber es ändert sich nichts in unserem Leben, denn wir lassen uns von vielen oberflächlichen Verlockungen, die wir hören, betäuben. Ich stelle euch die Frage, aber antwortet nicht jetzt, jeder soll in seinem Herzen antworten: Bin ich ein junger Mann, eine junge Frau, die betäubt ist? Oder wir sind wie der felsige Boden: Wir nehmen Jesus mit Begeisterung auf, aber wir sind unbeständig, haben nicht den Mut, bei Schwierigkeiten gegen den Strom zu schwimmen. Jeder von uns antworte in seinem Herzen: Habe ich Mut, oder bin ich ein Feigling? Oder wir sind wie der Boden mit den Dornen: Die materiellen Dinge und die schlechten Leidenschaften ersticken in uns die Worte des Herrn (vgl. Mt 13,18-22). Habe ich in meinem Herzen die Gewohnheit, ein doppeltes Spiel zu spielen: vor Gott eine gute Figur zu machen und vor dem Teufel eine gute Figur zu machen? Den Samen Jesu empfangen zu wollen und zugleich die Dornen und das Unkraut zu begießen, das in meinem Herzen aufkeimt? Heute aber bin ich sicher, dass der Samen auf guten Boden fallen kann. Hören wir diese Zeugen, wie der Samen auf guten Boden gefallen ist! – „Nein, Vater, ich bin kein guter Boden, ich bin eine Katastrophe, bin voller Steine, Dornen und was sonst noch alles.“ – Ja, kann sein, dass das an der Oberfläche so ist, aber mach ein Stückchen frei, ein kleines Stück guten Bodens, und lass den Samen dorthin fallen, und du wirst sehen, wie er aufkeimt! Ich weiß, dass ihr guter Boden sein wollt, wirklich Christen, keine Teilzeit-Christen, keine „Spießer“-Christen, die die Nase hoch tragen, so dass sie als Christen erscheinen und im Inneren überhaupt nichts tun; keine Fassaden-Christen, diese Christen, die „purer Augenschein“ sind, sondern authentische Christen. Ich weiß, dass ihr nicht in einer haltlosen Freiheit leben wollt, die sich von den Moden und Interessen des Augenblicks treiben lässt. Ich weiß, dass ihr das Große wollt, endgültige Entscheidungen, die vollen Sinn geben. Ist das so, oder irre ich mich? Ist das so? – Gut, wenn das so ist, dann machen wir jetzt folgendes: Werden wir alle still und schauen auf unser Herz, und jeder sage zu Jesus, dass er den Samen empfangen will. Sagt zu Jesus: Sieh, Jesus, die Steine, die da sind, sieh die Dornen, sieh das Unkraut, aber schau auf dieses kleine Stück Erde, das ich dir anbiete, damit der Samen dort eindringt. Lassen wir im Schweigen den Samen Jesu eindringen. Erinnert euch an diesen Moment; jeder kennt den Namen des Samens, der eingedrungen ist. Lasst ihn wachsen, und Gott wird sich um ihn kümmern.“

Und dann wurden uns über 15 Minuten Stille geschenkt. 3,9 Millionen Pilger schwiegen, jeder persönlich in der Stille seines Herzens verortet - vor dem Angesicht Gottes. In uns ein Meer des Schweigens, am Ufer des rauschenden Meeres. Was in diesen Augenblicken Gott anvertraut worden ist und worum in diesen Augenblicken voller Glauben gebetet worden ist, bleibt für immer ein Geheimnis Gottes. Ich habe u.a. darum gebetet, dass sich jeder immer wieder an diesen Augenblick erinnern kann, um Hoffnung zu schöpfen für den je persönlichen Alltag

Nach dieser innersten Berührung und einer Nacht mit vielen Jugendlichen im Sand der Copacabana unter dem Kreuz des Südens - in dieser Nacht regnete es zum ersten Mal nicht mehr - brauchte es nur noch die Sendung in die Länder der Herkunft. Auch dafür gab der Papst den Jugendlichen ein konkretes Motto mit: “Geht - ohne Furcht - um zu dienen!” Damit war deutlich, dass Jesus, die Kirche und der Papst mit aller Entschiedenheit auf die Jugendlichen setzen. Ja, der Auftrag war gesetzt, nun als Missionar heimzukehren und wirklich das Feuer des Evangeliums durch das eigene Leben zu bringen. Und die Begleitung dieser jungen Menschen trug Papst Franziskus den Priestern auf und sagte ihnen: “Ich möchte mich auch an euch wenden, liebe Priester, die ihr gemeinsam mit mir diese Eucharistie feiert: Ihr seid gekommen, um eure Jugendlichen zu begleiten, und das ist schön, diese Glaubenserfahrung miteinander zu teilen. Sicher haben diese Tage euch alle verjüngt. Die Jugend wirkt ansteckend. Aber es ist nur eine Etappe des Weges. Bitte fahrt fort, sie großherzig und voll Freude zu begleiten, helft ihnen, sich aktiv in der Kirche einzusetzen; niemals sollen sie sich allein fühlen! Und an dieser Stelle möchte ich auch herzlich den Jugendgruppen der Bewegungen und neuen Gemeinschaften danken, die die jungen Menschen in ihrer Erfahrung, Kirche zu sein, so kreativ und so einfallsreich begleiten. Macht weiter so und habt keine Furcht!”

So sind wir weiter gegangen, mittlerweile wieder in Deutschland - mit einem ermutigenden Auftrag, der in unseren Herzen nachklingt und zu Entscheidungen drängt: “Liebe Jungen und Mädchen, bitte hängt euch nicht hinten an den Schwanz der Geschichte an. Seid die Hauptdarsteller! Spielt im Sturm! Schießt nach vorne! Baut eine bessere Welt auf, eine Welt von Brüdern und Schwestern, eine Welt der Gerechtigkeit, der Liebe, des Friedens, der Brüderlichkeit, der Solidarität! Spielt immer im Sturm! Der heilige Petrus sagt uns, dass wir lebendige Steine sind, die einen geistlichen Bau bilden (vgl. 1 Petr 2,5). Wenn wir diese Bühne betrachten, sehen wir, dass sie die Gestalt einer Kirche hat, die aus lebendigen Steinen gebaut ist. In der Kirche Jesu sind wir die lebendigen Steine, und Jesus bittet uns, seine Kirche aufzubauen; jeder von uns ist ein lebendiger Stein, ist ein kleiner Bestandteil der Konstruktion. Und wenn der Regen kommt, und dieser kleine Stein fehlt, dann gibt es Wasserschäden. Dann dringt Wasser ins Haus ein. Und baue nicht nur eine kleine Kapelle, die nur eine kleine Gruppe von Personen aufnehmen kann! Jesus bittet uns, dass seine lebendige Kirche so groß sei, dass sie die ganze Menschheit aufnehmen kann, dass sie ein Haus für alle sei! Er sagt zu mir, zu dir, zu jedem: „Geht und macht alle Völker zu Jüngern“. Diesen Abend wollen wir ihm antworten: Ja, Herr auch ich will ein lebendiger Stein sein; zusammen wollen wir die Kirche Jesu aufbauen! Ich will hinausgehen, um ein Erbauer der Kirche Christi zu sein!

Diese lebendige Kirche haben wir erleben dürfen -an vielen Orten und in vielen Augenblicken. Von der Zeit in Rio habe ich erzählt. Aber dann war da auch noch der Besuch bei Avicres, dem Projekt mit Straßenkindern von Johannes Niggemeier. Dann war da noch die total bereichernde Woche auf der ersten Fazenda da esperanca der Welt in Guaratingetá; der Besuch bei Hans Stapel und Nelson, bei Luci und Iraci, den Gründern der Fazenda; die Begegnung mit Gen Rosso und die beiden Aufführungen des Musicals “streetlight”; der Besuch der 60 Bischöfe aus der ganzen Welt auf der Fazenda; die vielen Erfahrungen eines auf der Fazenda neu geschenkten Lebens, das wir hören durften; der Besuch im Marienwallfahrtsort Aparecida, die Zeiten der Stille in den Bergen von Guaratingetá....

Wenn ich heute dankbaren Herzens auf diese so reichhaltigen Tage in Brasilien zurück blicke, habe ich den Eindruck, Gott hat uns in Rio neu für ein Leben des Wortes entflammt, um neu Hauptdarsteller in unseren heimischen Welten zu werden und um wieder neu mutvoll “im Sturm” zu spielen. Auf der Fazenda hat er uns eine Exegese, eine Aus-Legung dieses Aufrufes des Papstes gezeigt. Er hat uns sehen lassen, was es bedeutet, ganz vom Leben des Evangeliums durchdrungen zu sein, Tag für Tag neu. Wir haben Menschen erleben dürfen, die nicht Sklave ihrer Abhängigkeiten, sondern “Sklave Christi” geworden sind und zu einer echten Freude durchgefunden haben.

Mögen viele der Jugendlichen ihre Rolle als Hauptdarsteller finden - immer wieder neu. Mögen sie den Mut haben, sich einzumischen und nicht in sicherem Abstand auf dem Balkon stehen zu bleiben. Also, machen wir weiter! Und spielen wir im Sturm!

Gastfreundschaft


Tritt durch den Spalt,

atme de Ordnung,

lerne am Herd

die Würdes des Gastes

und empfang

in der Fülle der Gaben

deren königliche:

anvertrautes Leid.

                    Klaus Hemmerle